1. Da sitzt ein neues Lied auf meinem Klavier
Da sitzt ein neues Lied auf meinem Klavier
und blinzelt neugierig ins Zimmer.
Völlig überraschend kam es zu mir,
unangemeldet – wie immer.
Da sitzt es und schaut mich mit großen Augen an,
so als ob es kaum erwarten kann,
dass ich ihm erlaube, dass es auf die Tasten springt,
um mir zu zeigen, wie es klingt.
Und ich ertappe mich dabei, dass ich denk:
„Ist es wohl ähnlich oder anders als die andern?“
Doch da beginnt es schon – noch etwas ungelenk –
über die Tasten zu wandern.
Je weniger ich es vergleich mit den alten,
desto mehr traut es sich, sich zu entfalten.
Deshalb höre ich mit dem Vergleichen auf
und lasse ihm einfach freien Lauf.
Ich lausche ihm aufmerksam, was es mir erzählt,
was es glücklich macht und was es freut.
Worüber es trauert oder was es quält
und was es bitter bereut.
Und ich lache und manchmal wein ich auch mit ihm,
und so werden wir beide ein Team.
Und am Ende fragt es mich dann, ob es mir gefällt
und ob es hinaus darf in die Welt.
Doch meistens muss es noch eine Zeit lang verweilen,
auch wenn ich seine Kostbarkeit erkannt.
Denn nun muss ich es schleifen, bearbeiten und feilen
wie einen rohen Diamant.
Und irgendwann glitzert und glänzt jeder Satz
und dann verschenk ich meinen Schatz
und nehme mein Lied mit ins Konzert,
damit es mein Publikum hört.
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